Dartagonia

Die Abenteuer des Ambrosius Gehret

  Text copyright © by OPPA, The Elend on Tour  
 

 
 
 

Es regnete. Leise tröpfelte es durch den dichten Saum der Wälder. Eine vermummte Gestalt schritt sehr langsam und schwach durch die Formation der Bäume und schlug sich das Ende ihres Umhangs um ihr Haupt. Ihr Antlitz war mit Schweiß bedeckt, schwere Schritte trugen sie durch das dichte Laub. Erschöpft rang sie nach Atem. Ihre in Fetzen gerissenen Kleider waren bedeckt mit Erde und größere Löcher des Gewands ließen freien Blick auf ihren alten aber dennoch von vielen Turnieren gestählten Körper.Ihre Augen waren starr nach vorn gerichtet. 

„Muss es schaffen.! Ich muss es schaffen.!“, murmelte die Gestalt verzweifelt. Sie hatte kaum noch die nötige Kraft sich auf den Beinen zu halten. Ihr Atem ging schneller und das Herz pochte ihr bis zum Halse. Schwarze Ränder hatten sich um ihre Augen gebildet. Grelle gelbe Blitze schossen durch ihren Kopf. Sie kämpfte um ihr Bewusstsein.  „Ich-ich muss-!“

Sie schwankte gefährlich von Seite zu Seite.

„- darf nicht hier bleiben.!“

Mit jedem Schritt wurde sie schwächer, Ihre Beine verweigerten ihr in zunehmender Weise den Dienst, sie sackte in sich zusammen. Nein, nicht jetzt! Sie war ihrem Ziel so nahe... Sie konnte doch jetzt nicht aufgeben. Langsam wurde es schwarz um sie. Sie schlug ihren Kopf hin und her um bei Bewusstsein zu bleiben. Die Dunkelheit einer Ohnmacht näherte sich ihr bedrohlich. 

Ambrosius Gehret, so hieß die Gestalt mit Namen, lag auf der feuchten Erde des Waldes am Fuße der Lodisberge und kämpfte verzweifelt darum bei klarem Verstand zu bleiben. Ambrosius war ein Troll und der Zwillingsbruder des wilden Isie. Seit Monaten hatte er sich dem Kampf gegen Hissen Mecht Kap, dem dunklen Zauberer, verschrieben. Immer und immer wieder hatte er die Bewohner Dartagonias vor ihm und seinen dunklen Legionen gewarnt. Aber wie das so ist, die Leute wollten einfach nicht auf ihn hören.

Im Gegentum. Wo immer er hinkam um gegen Mecht Kap zu predigen hatte man ihn mit Schimpf und Schande aus dem Dorf oder der Stadt verjagt. So hatte er sich letztendlich dazu entschlossen das Problem Hissen Mecht Kap selbst bei der großen Versammlung der dunklen Legionen zu lösen. Diese sollte in der schwebenden Stadt Brecha Vedar Rundstedt stattfinden. Aber niemand wusste wann und wo das sein würde. Deshalb hatte er sich auf den langen und beschwerlichen Weg zu Basolamona Orista Davys, der alten Kräuterhexe vom Fuße der Lodisberge, gemacht um sich bei ihr den Trank der absoluten Erkenntnis zu besorgen von dem ihm sein Bruder Isie berichtet hatte. Und vielleicht hatte die alte Hexe ja auch noch eine Idee, wie er in die schwebende Stadt gelangen konnte. Unerkannt und heimlich versteht sich. Hatte man ihm doch bereits schwerste körperliche Züchtigungen angedroht falls er dort erscheinen sollte. 

Langsam gelang es ihm wieder zu Kräften zu kommen, die Schatten der Ohnmacht verzogen sich und er setzte sich auf, lehnte seinen Oberkörper an einen zufällig anwesenden Baum und atmete tief durch. 

Er hatte in Soma Uhdes Gasthof die letzte Nacht verbracht, nicht ohne vom leckeren Trank zu genießen, und war auf der Strasse vom Gasthof Richtung Paralexa Lancade gewesen , als sie ihm an der Abzweigung nach Kildasee aufgelauert hatten. Sie, das waren die dunklen Adepten von Mecht Kap. Unter Führung des Adeptus exemptus Carl Tastern hatten sie dort mit sieben Mann einen Hinterhalt für ihn errichtet. Nur seinen flinken Beinen hatte er es zu verdanken gehabt, dass er ihnen, als sie ihre schweren Waffen aus bestem Tungsten schwingend auf ihn zugestürmt waren, entkommen konnte. Seit dem waren sie hinter ihm her und hetzten ihn erbarmungslos. Seine Beine hatten ihn in den dichten dunklen Wald getragen, da er hier hoffte die Meute abschütteln zu können. Bis, ja, bis ihm gerade die Kräfte geschwunden waren. Sein hohes Alter forderte seinen Tribut und so blieb ihm nichts anderes übrig, als erst mal wieder zu Kräften zu kommen.

Da fiel ihm ein, dass Soma Uhde ihm noch eine Flasche eines geheimnisvollen Trankes mitgegeben hatte. Er solle ihn aber nur in höchster Not zu sich nehmen, hatte er gesagt. Also zerrte er seinen Rucksack von den schmalen Schultern, öffnete ihn mit zittrigen Händen und begann nach der Flasche zu wühlen. Ein freudiges Grinsen erschien in seinem Gesicht als seine runzligen Hände das immer noch kalte Glas der Flasche umfassten. Er zog sie heraus und schaute auf das unscheinbare Etikett, welches sich auf der Flasche befand. „DREESCHS EISWEIN“  stand da in großen Lettern, „aus dem Hause Rediensch.“ „Egal wie das Zeug heißt.“ Mit diesen Worten kramte er seinen alten rostigen Öffner aus der Gesäßtasche seiner löchrigen Hose, öffnete erwartungsvoll die Flasche und nahm einen gierigen Schluck. Sofort fühlte er sich wieder unangreifbar und barst schier vor Kraft. Er leerte die Flasche zur Gänze, verstaute das Leergut sorgsam in seinem Rucksack, -nur keine Spuren hinterlassen-, erhob sich und setzte seinen Weg mit frischen Kräften wieder fort. 

Während er so vor sich hin stapfte erinnerte er sich an die Worte des Magiers Messt Morph Bergnase. Dieser war bekanntermaßen Stammgast bei der alten Kräuterhexe und hatte ihm von dem notwendigen Ritual berichtet, welches ein Besucher jedes Mal zu begehen hatte um zu ihr vorgelassen zu werden.

„Wenn Du ihr von zwei Sturmdrachen bewachtes Anwesen erreichen solltest, so musst Du am Tor zehnmal so laut Du kannst fehlerfrei ihren Namen in den Wald rufen. Und das Ganze auch noch so schnell Du kannst. Machst Du einen Fehler oder bist Du zu langsam, dann ähh…Hatte ich dir schon gesagt, dass Sturmdrachen Feuer spucken können?“

Diese Worte vor Augen dachte er es könne ja nicht schaden schon mal ein wenig zu üben. Leise natürlich, wollte er seine Verfolger doch nicht auf sich aufmerksam machen. Und so begann er. Mit jedem Schritt eine Silbe aussprechend setzte er seinen Weg fort bis er unvermutet auf einen Zaun stieß. Das musste wohl das Anwesen der alten Hexe sein dachte er bei sich und begann am Zaun entlang zu gehen. Irgendwo wird dann ja wohl auch der Eingang mit den Drachen sein.

„LAUT – SCHNELL – FEHLERFREI“, hämmerte es hinter seiner Stirn. Und mit jedem Schritt, der ihn näher zum Eingang brachte, rutschte sein Herz mehr in Richtung linkes Knie.

Bevor er sich versah, tauchte der erste Drache auf als er gerade eine mächtige Eiche umrundet hatte. Er wirkte kleiner als erwartet und auch die Bewegungen waren weniger elegant und bedrohlich, als durch die vielen Sagen überliefert. Mit lautem Schrei umkreiste ihn das Vieh. In dem Moment, als er gerade seinen Mund öffnen wollte um mit den zehn Mal zu beginnen, tauchte unverhofft ein weiteres Ungeheuer auf und gesellte sich flatternd zu dem ersten.

Zum Schein griffen ihn die Drachen an. Sie umflogen ihn, stiegen kreischend hoch in den Himmel und stürzten sich in der nächsten Sekunde erneut auf ihn, den hilflos hin und her getriebenen Helden. Er vergaß schlagartig alles, was man ihm geraten hatte und nahm erstmal Reißaus.

Sich hinter der gerade passierten Eiche versteckend, bemühte er sich einer plötzlich einsetzenden Inkontinenz Herr zu werden. Unaufhörlich strömte das trübe Nass aus seinem Inneren und füllte die mit Schlamm verschmierten Schuhe. „Oh wie peinlich“ dachte er bei sich und begann, nachdem der Sturzbach ein Ende gefunden hatte, sich und seine Schuhe mit dem hier reichlich wachsenden Farn zu reinigen.

Derweil hatten die beiden Drachen mit einem dreckigen Grinsen um ihre Mäuler, aus denen Unheil drohend blauer Rauch quoll, links und rechts des Tores im Zaum ihre Plätze eingenommen und schauten erwartungsvoll zur Eiche herüber. Dort war Ambrosius gerade dabei in die wieder in aller Herrlichkeit erstrahlenden Schuhe mit den ausgelatschten Sohlen zu steigen. Seine Hände zitterten noch leicht, als er die Schnürbänder mit festen Knoten schloss.

Seinen letzten Mut zusammen kratzend fasste er sich ein Herz, trat hinter der Eiche hervor, ging mit immer noch weichen Knien auf das Tor zu und begann mit lauter Stimme zu rufen: „Basolamona Orista Davys, Basolamona Orista Davys, Basolamona Orista Davys….“, und so fort, bis er die zehn Mal geschafft hatte.

Der Drache zur Linken nickte anerkennend mit seinem Kopf, während der zur Rechten mit Enttäuschung in seinem Gesicht meinte: „Du hast die Prüfung bestanden. Was ist dein Begehr?“

„Ich bitte um eine Audienz bei der ehrwürdigen Kräuterhexe und ähh kann ich mir hier irgendwo vorher die Hände waschen?“

„Vergiss aber bitte nicht, dir dabei auch die Füße zu waschen“ antwortete der linke Drachen und konnte sich ein schadenfrohes Gelächter nicht verkneifen. „Tritt ein und der Waschraum ist die erste Tür zur Linken wenn Du das Haus betrittst“, informierte ihn nun wieder der auf der anderen Seite.

Wie von Zauberhand öffnete sich das Tor und Ambrosius stolperte den Weg zum Haus hinauf, glücklich die Prüfung bestanden zu haben und vor allem, dass er noch lebte.

Er betrat das Haus, eine wunderschöne Villa im Fachwerkmodus errichtet, fand die Tür zum Waschraum und genoss erst einmal die Segen frischen Wassers und duftender Seife.  Nachdem er seine Kleidung, soweit es noch möglich war, notdürftig gerichtet hatte verließ er die aufwändig gekachelte Räumlichkeit und meinte jetzt für das Treffen mit der Kräuterhexe bereit zu sein.

Mit jetzt wieder festen Schritten ging er geradewegs auf die Tür mit der Aufschrift ‚Empfang’ zu, öffnete sie, trat ein und fand sich im Vorzimmer der Hexe wieder.

Ambrosius  wusste sofort, dass er endlich am Ziel war, als er in einen Raum gelangte, in dem eine Deribartfrau in einem weißen Kittel hinter einem Schreibtisch saß. Sie hob den Kopf, als sie ihn hereinkommen sah. „Ja, bitte?“

Er atmete tief durch. Jetzt zählte es.

„Ich bin Ambrosius Gehret und ich möchte in einer dringenden nicht aufschiebbaren Angelegenheit mit der ehrwürdigen Kräuterhexe sprechen“

Seine Worte verhallten.

Er wurde ein wenig unsicher, als die Deribartfrau ihn nur durch ihre Brille ansah und offenbar keine Anzeichen von Angst zeigte. Aber vielleicht war sie ja auch zu Tode erschrocken. Er kannte sich mit der Mimik dieser Wesen ja nicht aus.

Eine Zeit lang starrten sie einander einfach nur an.

„Das war alles?“, fragte die Frau dann.

„Äh, ich glaube, ja.“

„Gut.“ Sie nickte freundlich. „Ich wollte Sie nur nicht unterbrechen. Falls Sie noch was hinzufügen wollten.“

„Nein, äh, eigentlich war das alles.“

„Das glaube ich Ihnen gerne. Sind Sie sicher, hier an der richtigen Adresse zu sein?“

Er nickte verstehend. „Die ehrwürdige Hexe ist sicher die Richtige für mein Problem. Es geht hier immerhin um das Wohl unserer Welt.“

„Aber ja, ihr können Sie alles sagen. Haben Sie einen Termin?“

Er machte eine unsichere Geste mit seinem rechten Arm. „Einen was?“

„Also nicht. Hm, nun gut. Ich werde Sie wohl irgendwie dazwischenquetschen können.“ Sie zog eine Karteikarte hervor. „Wie ist denn Ihr Name?“

„Gehret.“

„Und wie heißen Sie komplett?“

Er nahm unwillkürlich Haltung an. „Ambrosius Gehret, Troll Erster Klasse aus dem Stamm der Eisigen vom Inselwald“

„Ich weiß nicht. Das ist mir zu lang. Also gut, einfach Ambi. Und Ihre Adresse?“

„Meine Adresse?“

„Ja.“ Sie lächelte freundlich. „Da, wo Sie wohnen?“

„Wo ich wohne? Ach so. Ja, das ist in einer Lehmhütte im Inselwald, unter dem dritten Baum rechts nach dem Spielplatz“

Die Deribartfrau schrieb eifrig mit. „Ah, ja“

„Gut.“ Sie hatte die Karteikarte ausgefüllt und sah ihn zufrieden an. „Die Hexe wird bald Zeit für Sie haben. Am besten, Sie nehmen so lange im Wartezimmer Platz..“ Sie wies auf eine Tür.

„Aber meine Angelegenheit ist sehr wichtig und duldet keinen Aufschub.“ 

Sie erhob sich, trat hinter ihrem Schreibtisch hervor auf ihn zu und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Seien Sie unbesorgt, Ihr Problem ist hier in guten Händen. Warten Sie bitte, bis Sie aufgerufen werden. Auch Andere sind mit ihren Problemen hier.“

Seine Augen weiteten sich hoffnungsvoll. „Wirklich?“

„Aber sicher.“

Sie schob ihn ins Wartezimmer und schloss die Tür hinter ihm.


Keine Sorge, die Geschichte geht noch weiter. Schaut doch mal wieder vorbei.

 
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