Tagebuch Quarret Nudel Am Tage Treble 19 gegen Abend
Ja, ich bin die der gleiche Nudel, der einst im Mekka der dartagonischen Filmindustrie Howolloyd, einem kleinen Vorort von Kildasee, der große Star in vielen Filmen war. Unvergessen sind meine Rollen in so Streifen wie „Für eine Handvoll Darts“ oder „Für ein paar Darts mehr“. Da spielte ich noch die Hauptrolle als Fon Hifix und durfte die Bewohner einer kleinen öden Stadt am Rande des Nirgendwo gegen die Bedrohung durch eine Magnetstöckchenbande beschützen. Damals fing der ganze Ärger an. Ich war von den im Film verwendeten Stöckchen so fasziniert, dass ich sie nach Abschluss der Dreharbeiten immer aus der Requisite stibitzte und mit nach Hause nahm. Ich musste sie einfach haben, diese glitzernden spitzen Dinger mit ihren eleganten Formen. So kam im Laufe der Zeit eine ansehnliche Anzahl zusammen. Zu Anfang habe ich sie noch ordentlich auf Regalen ausgestellt, doch schon bald gingen mir die freien Wände aus und so landeten sie wo immer gerade Platz war. Die Tatsache, dass ich so sang- und klanglos aus der Öffentlichkeit verschwunden bin, schreiben diese ewig unzufriedenen Filmkritiker meiner Halbprothese zu, die ich in der linken Hirnhälfte trage. Mit dem Verlust meiner linken Hirnhälfte und allen umliegenden Koordinationsrezeptoren fing mein ganzes Unglück an. Wir waren gerade mit den Innenaufnahmen zum Film „Dirty Darts“ in einer üblen Spelunke namens „Ueberhebs Steck Inn“ beschäftigt. Jene verrauchte Lokalität sah so friedlich aus wie Großmutters Wohnküche, war aber so gefährlich wie Herrjemines Pfeifentabak. Damals war ich bestens in Form, soll heißen, ich warf einen knallharten Average von 26 mit meinen 45-er Pluralemba-Stöckchen. Auch zum Auschecken benötigte ich nie mehr als 21 Versuche. Kurzum: Ich war auf der Höhe meines Könnens. Laut Drehbuch sollte ich in einer der unzähligen Duellszenen mit dem lokalen Platzhirsch im entscheidenden fünften Leg eine 20 werfen. Gesagt, getan. Doch mein mit Meisterschaft geworfenes Stöckchen traf auf den Draht, federte ab, wechselte seine Flugrichtung um 180 Grad und traf mich mit Wucht in mein linkes Ohr. Wäre alles halb so schlimm gewesen, aber zu dieser Zeit verwendete ich diese neuartigen Spitzen mit Widerhaken, wegen dem besseren Halt auf der Scheibe. Und so zog der sofort herbei gerufene Notarzt mit samt dem Stöckchen auch eine gehörige Menge meines daran haftenden Gehirns mit heraus. Ich fiel in Ohnmacht. Drei Tage später erwachte ich in einem sterilen Krankenzimmer aus meinem Koma. Der anwesende Oberarzt Professor Timo Zahnweh Jackas erklärte mir auf seine schonungslose Art und Weise was mit mir geschehen war. Sie hätten in einer 18-stündigen Notoperation meinen Hirnverlust mit Hilfe eines geeigneten Spenderorgans beseitigt. Ich würde noch ein paar Wochen absolute Ruhe bedürfen und müsse mich in einem umfangreichen Rehabilitationsprogramm langsam aber stetig an mein Transplantat gewöhnen. Einer vollständigen Wiederherstellung würde nichts im Wege stehen. Auf diese Weise aus berufenem Mund beruhigt schlief ich wieder ein und träumte von spitzen Stöckchen, die auf ein rundes Ding aus Schweineleder flogen, welches aber gar nicht wie eine Scheibe aussah. ***** Kopfschüttelnd wuchtete Sett Einstich den inzwischen 19 Kilogramm schweren Wälzer, der Nudels Tagebuch darstellte, von seinen Oberschenkeln auf die Platte seines Schreibtisches. Mit beiden Händen massierte er die schmerzenden Muskeln und notierte sich in Gedanken den Hinweis Nudel die Schreibfeder wegzunehmen. „Das ist ja nicht mehr feierlich und grenzt an schwere Körperverletzung. Meine armen Beine. Ich sollte das Tagebuch dieses zweibeinigen Schreibautomaten beim Lesen auf dem Tisch liegen lassen. Aber wenn der so weiter macht, bricht mir der in spätestens 4 Tagen unter der Last zusammen. Einfach unglaublich! Das muss ein Ende haben. Sofort!“ Der Zeigefinger seiner rechten Hand senkte sich auf den Rufknopf der Gegensprechanlage, drückte ihn bis zum Anschlag nieder und mit erschöpft klingender Stimme sagte er: „Fräulein Irrstrom bringen Sie mir doch bitte einen Becher ihres hervorragenden Kaffees und die Krankenakte Nudel von Professor Jackas. Danke.“ Lange musste er nicht warten. Nicht ganz eine Minute nach seinem Ruf betrat Angina Irrstrom nach einem schüchternen Klopfen sein Büro. In der einen Hand einen Becher dampfenden Kaffees und unter dem anderen Arm eine dicke Akte geklemmt. Beides platzierte sie sorgfältig auf seinem Schreibtisch und mit einem „Haben Sie sonst noch Wünsche, Herr Doktor?“ harrte sie der Dinge, die da kommen sollten. „Nein, Danke!“ antwortete er, worauf sie sein Büro wieder verließ. „Schon wieder so ein episches Werk“ sagte er in Gedanken zu sich und widmete sich der dicken Akte. Tag 0: Der uns zugeführte Patient erlitt eine Extraktion der linken Hirnhälfte, verursacht durch die unsachgemäße Entfernung eines über das Ohr eingedrungen Wurfstöckchens durch den Notarzt. (Kommentar: Was für ein Stümper. Dem sollte man seine Approbation entziehen.) Nach Messung der Resthirnkapazität entschlossen wir uns den entstandenen Verlust durch das Gehirn eines Cricetulus barabensis auszugleichen, da dieses in Größe, Kapazität und Leistungsfähigkeit dem verlorenen Teil am ehesten entsprach. Cricetulus barabensis In einer mehrstündigen Operation gelang es uns das Transplantat im vorhandenen Hohlraum zu platzieren und sowohl mit dem zerebralen Korrelationszentrum als auch mit dem Corpus Callosum zu verbinden. Die Operation verlief ohne Komplikationen und der Patient wurde zwecks Förderung einer schnelleren Rehabilitation in ein dreitägiges künstliches Koma versetzt. Intravenöse Ernährung und die Verabreichung von Basiliximab und Ciclosporin zur Unterdrückung einer Abstoßungsreaktion wurde angeordnet. Tag 4: Heute wurde der Patient aus seinem künstlichen Koma erweckt. Er zeigt die nach einer solchen Maßnahme übliche anfängliche Orientierungslosigkeit, erklärt aber schmerzfrei zu sein und sich im Großen und Ganzen wohl zu fühlen. Die Physiotherapeutische Abteilung wurde angewiesen umgehend mit dem für solche Fälle vorgesehenen Rehabilitationsprogramm zu beginnen. Tag 6: Der Patient nahm heute erstmals feste Nahrung zu sich. Dabei fiel auf, dass er das ihm angebotene frische Eisbein verschmähte und sich mit Heißhunger über den gereichten Salat hermachte. Auch scheint er eine Vorliebe für Obst und Gemüse entwickelt zu haben. Seltsam erscheint uns seine Bitte nach Bachflohkrebsen. Tag 9: Die Genesung des Patienten schreitet normal fort. Eine Abstoßungsrektion seines Körpers gegenüber dem Implantat ist bisher nicht zu beobachten. Er durfte heute erstmals sein Bett zu ersten Gehversuchen verlassen. Sein Gang ist noch etwas schwankend und unbeholfen, was aber nach so langer Liegezeit völlig normal ist. Der Therapeut meint einen schleichenden hoppelnden Gang beobachtet zu haben. Sein Appetit ist nach wie vor stark gesteigert und er verlangt ständig nach pflanzlicher Nahrung und eiweißreicher Kost in Form von Meeresfrüchten. Zum Nachtisch bevorzugt er Nüsse. Tag 12: Nach wie vor keine Komplikationen feststellbar. Agilität, Nahrungsaufnahme, Wundheilung und Entwicklung seiner kognitiven Fähigkeiten verlaufen innerhalb des üblichen uns bekannten Rahmens. Patient hat damit begonnen Nüsse unter der Matratze seines Bettes zu horten und klagt seit gestern über ein ansteigendes lautes Summen in seinem Kopf. Tag 20: Haben heute den Patienten einer Magnetresonanztomographie seines Kopfes unterzogen, da selbst mit Psychopharmaka das Summen in seinem Kopf nicht beseitigt werden konnte.
MRI-Scann des Gehirns Dabei wurde festgestellt, dass sich das Implantat wie vorgesehen mit der Resthirnmasse verbunden hat und unseren Erwartungen gemäß funktioniert. Wie allerdings die Dolichovespula media in sein Gehirn gelangt ist und im linken Frontallappen nistet ist uns ein Rätsel. Dolichovespula media Da sie unter Naturschutz steht dürfen wir sie nicht so einfach entfernen. Noch dazu hat sie inzwischen Nervenbahnen gebildet, die sie mit dem Epithalamus des Patienten verbinden. Wir vermuten, dass der Stümper von Notarzt die Wunde während des Transportes nicht wie vorgeschrieben steril abgedeckt hatte. Tag 30: Der Patient wurde heute als geheilt entlassen. Seine etwas seltsame Ernährungsweise, sein schleichender Gang und die Entwicklung einer Gelb-Schwarz Orientierung können als vernachlässigbar angesehen werden. Auch ist das Summen vollständig verschwunden. Ihm wurde empfohlen in einem Vierteljahr zu einer notwendigen Nachuntersuchung hier zu erscheinen. ***** „Aha, so ist das also.“ Mit diesen im Selbstgespräch geäußerten Worten beendete Einstich das intensive Studium der Krankenakte Nudel und war um einige Erkenntnisse reicher geworden. „Alles hat eine Ursache, in diesem Fall sogar zwei. Jetzt weiß ich was da mit dem Kerl passiert ist und ich kann meinen Bericht für den Rat der Magier verfassen. Aber das hat bis Morgen Zeit.“ Er rief noch in der Sicherheits- und Pflegeabteilung an, veranlasste, dass Nudel die Schreibfeder weggenommen wurde und machte für Heute Feierabend. Ende Teil 2 |