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Das Sägewerk hinter seiner Stirn riss ihn unvermutet wieder in die Wirklichkeit zurück. Pracker Ixten, seines Zeichens einer der Götter in den Weiten des Omniversums, schlug die Augen auf. Seine rechte Hand zuckte zur Stirn und mit einem `Verdammt, was ist mir schlecht` versuchte er sich zu orientieren. Zäh wie Ahornsirup tröpfelten die Erinnerungen an den vergangenen Tag in seine vernebelte Gedankenwelt. Nicht, dass Götter so etwas wie eine Einteilung in Tag und Nacht hätten, aber wir wollen mal so tun als ob.
Er reckte und streckte wohlig seine verspannten Glieder und fasste den Entschluss, dass es höchste Zeit für etwas Anregendes sei. Er erinnerte sich plötzlich daran, dass er einer der Götter war und dass diese über unbegrenzte Gedankenkräfte verfügten. Flugs dachte er sich seine Kopfschmerzen in das Reich der Vergangenheit und sich selbst in eine aufrechte Position. Wie hieß noch gleich das Getränk, dass ihm einer seiner Gottkollegen als äußerst belebend empfohlen hatte? So recht wollte seine ansonsten gut geölte Denkmaschine noch nicht rotieren. Irgendetwas schien sie zu blockieren. Er schüttelte seinen Kopf ein wenig hin und her und versuchte mit einigen Schlägen seiner linken Hand auf seinen Nacken sein Gehirn zu mehr Aktivität zu überreden.
„Qahwa“ stand es auf einmal in übergroßen Lettern vor seinem inneren Auge. `Hätte ich ja schon mal früher drauf kommen können! ´ Nachdem ihm der Name des Getränkes wieder eingefallen war, war der Rest nur die Sache eines kurzen Gedankens. Und schon hielt er einen zwei Liter fassenden Krug gefüllt mit herrlich duftendem Gebräu in seiner rechten Hand.
Gierig setzte er den Krug an seine Lippen und nahm einen großen Schluck. Die Wirkung war verheerend. Hatte er doch vergessen, dass Qahwa heiß getrunken wurde und das Gebräu war heiß. Sehr heiß! In einem Bogen flog die Flüssigkeit wieder aus seinem Mund und seine Zunge meldete Schmerz. Gaumen, Zäpfchen und Lippen mischten sich fröhlich in dieses Konzert der Meldungen mit hinein. Ein kurzer ärgerlicher Gedankenbefehl entsorgte auch diese Schmerzen in Richtung Vergangenheit.
`Und wenn wir schon mal beim Denken sind, denken wir uns doch mal schnell fit und munter und bei vollem Bewusstsein`. Gesagt, getan und sofort fühlte er sich wieder als Gott und völlig über Allem schwebend. Leider kehrte die Erinnerung an den gestrigen Tag und die darauf gefolgte Nacht schlagartig wieder zurück und er wünschte sich, sie wäre in der Tiefe seines Unterbewusstseins geblieben.
Es war der Tag des Jahrestreffens aller Götter dieses Omniversums gewesen und sie hatten bis in die frühen Morgenstunden getagt und gefeiert. Alles wäre nicht so schlimm gewesen, hätte nicht sein Kollege zur Linken, sein Name war ihm gerade entfallen, ein neu entdecktes Gebräu von Jenseits der Unendlichen Sorglosigkeit vorgestellt. Ein ganzes Fass dieses Kräutersudes hatte er wie zufällig dabei gehabt und die Kelche der Anwesenden damit gefüllt.
„ Also Leute ich war gerade für ein paar Tage im Urlaub gewesen und habe Euch etwas Leckeres mitgebracht. Dieser Sud macht nicht nur munter, er vertreibt auch die Sorgen aus eueren Gehirnen und betäubt die Gedanken an die Leere des Daseins als Gott. Das Zeug wird da wo es herstammt „MÜRGEN MILK“ genannt und aus einer geheim gehaltenen Anzahl würziger Unkräuter in einem streng vertraulichen Verfahren noch nach alter Sitte über einem Holzkohlenfeuer in Kupferkesseln gebraut. Hier bedient Euch.“
Dies hatte den Anfang vom Ende der Versammlung bedeutet. Immerhin hatte er, nach Genuss etlicher Liter dieses nach gekautem Lakritz schmeckenden Elixiers, noch die Kraft gehabt sich in sein Reich zu denken. Und hier war er dann wohl ohnmächtig unter dem einzigen Baum seiner Lebensblase zusammen gebrochen.
Sein Qahwa war unterdessen soweit abgekühlt, dass er ihn gefahrlos trinken konnte. Er nahm einen großen Schluck aus dem Krug und dachte dabei darüber nach, ob dieses Kräuterzeugs etwa so etwas wie Alzheimer hervorrufen könne. Oder wo sollten sonst seine Gedächtnislücken her kommen?
Pracker Ixten runzelte seine Stirn, nahm seinen Krug und schlurfte langsam, die Gelenke wollten doch noch nicht so recht, in Richtung seines Wintergartens. Dort ließ er sich seufzend in einen schnell herbei gedachten Relaxsessel sinken und starrte nach draußen in die unendliche Leere seines Reiches.
„Mal hören, wie es den Anderen so geht!“ dachte er und schaltete sich in den omnipräsenten Gedankenfunk der Götter ein. Er musste lange Zeit alle Frequenzen absuchen bis er auf etwas Brauchbares stieß. Aber da Zeit für ihn als Gott keine Rolle spielte, hatte er doch genug davon, nahm er diese kleine Mühe gerne auf sich. Er hatte ja sonst keine Sorgen. Die anhaltende Funkstille zeugte in überwältigender Weise von der Wirkung jenes Mürgen Milk. Waren wohl alle noch im Bann des Sudes und nicht fähig, etwas Sinnvolles von sich zu geben.. Nein nicht alle. Sein Nachbar zur Rechten, Talje Bephorst, war schon äußerst aktiv und als Einziger auf Sendung.
Er berichtete, dass er, von dem Kräuterzeug inspiriert, sich der Leere seines Daseins und der damit verbundenen unendlichen Langeweile bewusst geworden sei. Und dass er einen genialen Einfall gehabt hätte. Er sei dabei sich eine kleine Welt zu schaffen, in der Menschen ihr Unwesen treiben sollten. Diese wollte er dann bei ihren täglichen kleinen Problemen beobachten und sich an ihrer Unvollkommenheit erfreuen. Und damit sie etwas Gemeinsames haben, hatte er ihnen einen aus Schweinehaut genähten Ball gegeben, den sie mit ihren Füssen in ein „Tor“ genanntes Netz befördern sollten. Wer in einer noch fest zu legenden Zeiteinheit am häufigsten den Ball in das Tor des Gegners bugsiert hatte, sollte der Sieger sein und eine Trophäe erhalten.
Wirklich eine gute Idee dachte sich Pracker und beschloss es seinem Nachbarn nach zu tun. Nach einem kräftigen Schluck aus seinem Krug ging er zu Werke. Er streckte den Mittelfinger seiner linken Hand durch die Energiebarriere seiner Lebensblase ins unendliche Nichts seines Universums und gab Saft auf die Tatze.
Ein gleißender Lichtbogen entstand, der sich von seinem Finger bis ins Nichts erstreckte und mit der Kraft seiner Gedanken erschuf er aus dem Staub, der sich innerhalb seiner Behausung angesammelt hatte, eine Scheibe fester Materie. Auf diese Weise wurde hier mal wieder sauber gemacht und der Grundstein seiner Vergnügungsstätte war gelegt.
Damit das Ganze nicht so eintönig flach war, ließ er Erhebungen entstehen, die er Berge nannte. Das Grau unterbrach er mit vielen grünen Bäumen und einem blauen Gewässer, welches einmal rund um seine kleine Welt führte. In jede der Ecken und in das Zentrum setzte er jeweils eine Stadt und bevölkerte diese mit Menschen, die er nach seinem Ebenbilde formte. Mit der letzten Energie, die er heute aufzubringen in der Lage war, gab er der Welt noch etwas Licht in der Form einer Sonne.
Erschöpft zog er seinen Finger wieder in sein Reich zurück, nahm noch einen Schluck und lehnte sich glücklich in seinem Relaxsessel zurück. Mit dem Gefühl an diesem Tag etwas Sinnvolles hervor gebracht zu haben, begann er darüber nach zu denken, welches Spiel er den Menschen auf seiner Welt geben sollte. Einen Namen für seine Welt brauchte er auch noch. Diesen wollte er nach dem Spiel formen, welches die Menschen betreiben sollten. Talje Bephorst hatte seine Welt Socceranium genannt. Und so ähnlich wollte er es auch halten. Nur welches Spiel sollte er ihnen geben? Ermattet vom Schöpfungsakt schlief er ein.
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