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Es war früher Samstagvormittag als die Erdest-Taler bei den kleinen Schrebergärten des ebenso kleinen Dorfes landeten. Fermind Erdball war gerade dabei den kleinen Vorplatz seiner Parzelle zu fegen, als er hinter sich dieses seltsame, leise Plätschern vernahm, das ihn veranlasste von seiner Arbeit aufzusehen und sich mit Zigarette im Mund und Besen in der Hand umzudrehen. Ein riesiges stählern glänzendes Schiff näherte sich auf dem Ringfluss dem diesseitigen Ufer gleich hinter den Gärten. Fermind Erdballs Zigarette, die vorher noch lässig in seinem Mundwinkel hing, senkte sich immer mehr nach unten während sich sein Mund immer weiter öffnete, und sein Blick war stumm und leer auf das riesige Schiff gerichtet, das nun wenige Meter von ihm entfernt am Ufer des Ringflusses lag. Eine Minute lang passierte nichts - Fermind Erdball starrte und das Schiff lag - bis plötzlich ein leises Geräusch zu hören war und sich an der Seite eine kleine Treppe nach unten senkte. Fermind Erdball, der bis dahin wie in Trance gewesen war, erwachte plötzlich wieder zum Leben. Sein rechter Arm hob sich mit gestrecktem Zeigefinger schwerfällig in Richtung des Schiffes und sein Mund gab kehlige Laute von sich, als wolle er ein unsichtbares Publikum auf dieses große, stählerne Ding hinweisen, aber da war niemand, außer er und jemand der gerade im Begriff war den von ihm sorgfältig gepflegten Rasen zu betreten.
Ein seltsames Männchen trat aus dem Schiff. Es war dick, hatte nackte tätowierte Unterarme und eine auf dem Rücken komisch verzierte Jacke mit kurzen Ärmeln an. Das Männchen schritt langsam und bedächtig die kleine Treppe hinunter und blickte dabei interessiert nach links und rechts. Fermind Erdball war inzwischen wieder verstummt, nur sein Arm war noch erhoben, und plötzlich schoß ihm wieder ein Gedanke durch den Kopf, eine Frage. Eine absurde Frage, die ihn aber plötzlich nicht mehr losließ. Würde es den Boden küssen? Wie der Priester es immer nach einer Fahrt mit ihm in seinem alten Boot zu tun pflegte! Mit wachsender Spannung verfolgte er die letzten Schritte des Männchens und dann stand es auf dem Rasen - küsste ihn nicht, sondern stand nur da, legte die Hände in seine Hüften und machte etwas, das Fermind Erdball nur als "kräftiges Durchatmen" werten konnte, wie bei einem Bergarbeiter, der nach seiner staubigen Schicht wieder an die frische Luft kommt. Dann wandte es seinen Kopf nach hinten und rief mit piepsenden Lauten etwas ins Innere des Schiffes. Im nächsten Moment kamen weitere dieser Männchen aus dem Inneren hervor, drei davon waren etwa so dick wie das erste, und zwei weitere waren groß und dünn. Sie gruppierten sich vor der Treppe, gestikulierten wild mit den Ärmchen und piepsten alle durcheinander. Fermind Erdball verfolgte alles mit ungläubigem Staunen. Seine rechte Hand, die er noch immer erhoben hatte senkte sich wieder und plötzlich dachte er daran fortzurennen. Er musste weg hier, keine Ahnung was hier geschah und was das war, aber er musste weg, so schnell wie möglich. Hastig wandte er sich Richtung Ausgang und wollte schon losspurten, als sich der Besen, von dem er ganz vergessen hatte, dass er ihn noch in seiner linken Hand hielt, irgendwie zwischen seine Beine schwindelte, und er sich mit der gesamten Vorderseite ungewollt auf den harten Boden flachlegte. Sein Kopf krachte so fest auf, dass für einen kurzen Moment alles vor seinen Augen verschwamm, nur das Piepsen hinter seinem Rücken konnte er noch hören, das nun plötzlich lauter wurde und seltsam entsetzt klang. Fermind Erdball schloß für einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, war alles wieder klar. Er blickte über seinen Rücken und sah die Männchen, wie sie piepsend auf ihn zuliefen. Sie befanden sich bereits im Gemüsebeet, nur die schmalen tapsten etwas hinterher, und jetzt konnte Fermind Erdball nichts mehr halten. Er sprang auf, rannte über den Vorplatz und auf die Straße, die hinein ins Dorf führte.
Etwa zweihundert Meter weiter hätte er beinahe Brilli Ebendas umgerannt mit der er früher in die gleiche Klasse gegangen war. Sie war gerade mit ihrem Hund unterwegs, als Fermind ihr entgegenkam, der sie allerdings nicht bemerkte, weil er seinen Kopf ständig über seine Schulter nach hinten gerichtet hielt. Nur mit einem schnellen Satz zur Seite konnte sie einen Zusammenstoß verhindern, aber mit der Schulter streifte sie Fermind, der erst jetzt auf sie aufmerksam wurde. Er stoppte einige Meter hinter ihr, sah sie kurz an und lief dann auf sie zu und packte sie an beiden Armen. Brilli sah ihn überrascht an und ihr Hund protestierte mit einem leisen Knurren
„Schnell weg hier Brilli", sagte er atemlos. „Nicht weitergehen, jetzt sind sie da, jetzt sind sie da. Sie sind da..."
„Wer ist da?" fragte Brilli und wusste nicht ob sie lachen oder besorgt sein sollte.
„Sie sind da", wiederholte Fermind nur und zerrte an ihrem Arm.
Brillis Gesicht schaute ihn verdutzt an und sie wehrte sich gegen sein Zerren. Ihr Hund bellte Fermind böse an.
„Was ist denn mit dir los? Bist du verrückt geworden...?"
„Aber sie sind da...!"
„Wer ist da!?" schrie sie ihn jetzt an.
„Sie.." schrie Fermind zurück und deutete die Straße entlang, wo die Männchen auf sie zugerannt kamen, noch immer dick, noch immer laut piepsend.
„Das ist ja...", sagte Brilli leise und blieb regungslos stehen.
Fermind zerrte weiter an ihr und redete auf sie ein, der Hund bellte lauter und wuselte aufgeregt zwischen ihren Beinen umher. Plötzlich erwachte Brilli wieder aus ihrer Starre. Sie sah Fermind kurz an, und beide verständigten sich wortlos darüber, was jetzt zu tun war. Laufen!
In diesem Moment stürzte Fermind zum zweiten und Brilli zum ersten Mal an diesem Tag. Fermind über Brillis Hund und Brilli über Fermind. Beide rollten den kleinen Abhang neben der Straße hinunter und blieben in einer Wiese liegen. Der Hund kam angerannt und lief aufgeregt um Brilli herum. Als beide aufblickten, sahen sie die dicken Männchen oben an der Straße stehen. Sie sahen zu ihnen hinunter und schlugen alle beinahe gleichzeitig ihre beiden kleinen Händchen an die Wangen ihrer großen Köpfe, als wären sie entsetzt bei dem Anblick, der sich ihnen bot.
„Was wollen die?" fragte Brilli und ihre Stimme klang erstickt und den Tränen nahe.
„Ich weiß es nicht", antwortete Fermind, der versuchte seine Stimme nicht erstickt klingen zu lassen.
Das Männchen, das als erstes aus dem Schiff ausgestiegen war, wandte sich an die anderen drei dicken Männchen, piepste ihnen etwas zu und dann tapsten alle vier etwas unbeholfen den Abhang hinunter. Brilli begann leise zu wimmern und Fermind hielt die Luft an. Sie kamen auf sie zu und je zwei stellten sich neben einen der beiden.
„Was machen wir jetzt?" flüsterte Brilli zu Fermind.
Fermind antwortete nichts, er starrte nur mit bleichem Gesicht in die großen ovalen Augen der Männchen.
„Was machen wir jetzt?" flüsterte Brilli erneut.
In diesem Moment streckte das Männchen neben Fermind ihm das kleine Händchen entgegen und sagte: „Check!"
Fermind starrte es nur dümmlich an und machte keinen Mucks. Das Männchen machte eine weitere auffordernde Handbewegung und piepste erneut: „Check!"
„Die wollen unsere Organe, die wollen unsere Organe..", wiederholte Brilli flüsternd und monoton.
„Nein, wollen sie nicht", sagte Fermind plötzlich. „Die wollen etwas anderes."
„Was denn", flüsterte Brilli ängstlich.
„Uns aufhelfen."
Brilli, die bis jetzt unentwegt die zwei Männchen auf ihrer Seite angestarrt hatte, wandte sich Fermind zu und sagte nur: „Häh...?"
„Die wollen uns aufhelfen. Nimm ihre Hand!"
Brilli sah Fermind noch einen Moment lang ungläubig an, dann drehte sie sich um und streckte einem der Männchen zögerlich die Hand entgegen. Es nahm ihren Zeigefinger und zog daran, während sich auf seinem Gesicht so etwas wie ein Lächeln breit machte. Brilli lächelte unsicher zurück. Beide standen auf, und während die dicken Kerle ihre Köpfe nach oben reckten und sie noch immer anlächelten, sagte Fermind: „Das glaubt uns keiner."
„Vielleicht wollen die ja was. Sollen wir sie fragen?"
Fermind überlegte kurz, dann wandte er sich an das Männchen, das ihm aufgeholfen hatte und sagte: „Was du wollen?"
Das Männchen sah ihn verwirrt an und sagte dann: „Check, Check."
„Was will er?" fragte Brilli.
„Check", antwortete Fermind mit ratlosem Gesicht.
In diesem Moment begannen die vier wieder aufgeregt miteinander zu reden, aber alles was Fermind und Brilli verstanden war ‚Check‘. Nachdem sie ihre Unterredung beendet hatten, wandte sich Ferminds Gesprächspartner wieder an ihn und machte eine Geste.
„Die wollen etwas trinken!" rief Fermind aus und wiederholte die Geste, als ob er ein unsichtbares Glas an seinen Mund führen und daraus trinken würde. Dann deutete er auf das Männchen und sah es fragend an, als ob er wissen wolle, ob er richtig lag. Sein Gesprächspartner begann zu lächeln und rief laut ‚Check’ und die anderen stimmten freudig mit ein.
„Die wollen nur was trinken, leck mich am Arsch", sagte Fermind und grinste übers ganze Gesicht.
„Sieh mal da", rief Brilli plötzlich und unterbrach Ferminds selbstzufriedenes Grinsen. Brillis Hund lag oben an der Straße und die zwei dünnen Männchen streichelten vergnügt über seinen Kopf.
„Ist das nicht niedlich", sagte sie und ihr Gesicht bekam plötzlich einen seltsam schwärmerischen Ausdruck.
„Ja, niedlich", konstatierte Fermind. „Aber jetzt müssen wir gehen."
„Wohin denn?" fragte Brilli.
„Ins Gasthaus, sie wollen ja etwas trinken."
*****
An diesem Vormittag war wenig los im Gasthaus ‚Dur Tratsch’. Die Wirtin, Bölsina Phraser, saß eher gelangweilt mit ihren einzigen zwei Gästen, Verdom-Fanny Laberdan, dem Postboten und Dragoman Filnek, dem Dorfmaler, am Tisch und knobelte mit ihnen die nächste Runde Bier aus. Laberdan war gerade dabei ungefragt den Abliefermodus von Postwurfsendungen zu erklären, als die Tür aufging und Fermind Erdball das Gastzimmer betrat. Bölsina war froh, dass Laberdan unterbrochen wurde und Laberdan blickte etwas verkniffen und böse zur Tür.
„Äh.. wir hätten da gerne was zu trinken", sagte Fermind und Bölsina antwortete in der familiären Art einer Wirtin: „Da bist du bei mir gerade richtig, Junge."
Sie ging an Fermind vorbei hinter den Tresen, als sie plötzlich stehen blieb und fragte: „Wen meinst du mit wir?"
Fermind antwortete nicht sondern rief zur Tür hinaus.
„Brilli, du kannst jetzt kommen!"
Sowohl Bölsina als auch ihre zwei Gäste blickten verwirrt wegen Ferminds seltsamen Verhaltens neugierig zur Tür und dort erschien Brilli Ebendas - und hinter ihr im Gänsemarsch die sechs Männchen. Unbeeindruckt von der neuen Umgebung trappelten sie auf den ersten freien Tisch zu und hievten sich mit etwas Mühe auf die hohen Bänke, den beiden dünneren fiel dies allerdings sichtbar leichter. Eine Minute lang sagte niemand ein Wort, dann fragte Bölsina kühl: „Was ist das?"
Fermind grinste verlegen und sagte: „Die wollen etwas zu trinken..."
„Trinken?" wiederholte Bölsina und ließ ihren Blick nicht von den seltsamen Besuchern abschweifen. Eine weitere Minute verging, Bölsina stand die ganze Zeit wie angewurzelt da, dann griff sie kurzentschlossen nach einer Getränkekarte, ging zum Tisch und legte sie hin. Die Männchen sahen sie kurz an, dann ertönte ein gemeinschaftliches ‚Check’, und das Männchen, das als erstes das Schiff verlassen hatte, schlug die Karte auf.
„Das sind bestimmt Zauberwäldler, das sind Zauberwäldler", sagte Laberdan plötzlich, der bis dahin wie alle anderen nur geglotzt hatte.
„Das sind mit Sicherheit Zauberwäldler, die gibt's ja dort, das hab ich irgendwann einmal den Magier Bügebeis sagen gehört."
„So ein Blödsinn", erwiderte Dragoman, ohne dabei den Blick von den seltsamen Besuchern abzuwenden. „Im Zauberwald gibt's keine Menschen."
„Sicher gibt's die dort, ich hab's doch vom Magier gehört. Warum soll's dort keine geben", meinte Laberdan trotzig.
„Weil der Zauberwald... weil er viel zu klein ist. Außerdem scheint dort selten die Sonne, ist ja viel zu dunkel dort."
Die Männchen unterhielten sich wild, und während Dutzende ‚Checks’ den Raum erfüllten, begann jenes Männchen mit der Karte, diese zu drehen, auf den Kopf zu stellen und schließlich die Rückseite zu untersuchen, wo in großen Buchstaben "GETRÄNKE" geschrieben stand.
„Die können das nicht lesen", stellte Dragoman kühl fest.
Bölsina stand ratlos da, und Fermind Erdball sagte schließlich: "Bringen Sie ihnen einfach irgendwas."
„Und was?" fragte Bölsina, während die Karte herumgereicht wurde, und jedes der Männchen sein Glück damit probierte.
„Ein großes Bier", schlug Laberdan vor.
„Ist vielleicht nicht so gut, wer weiß ob sie das vertragen", meldete sich Brilli.
Und während alle noch überlegten, was sie nun tun sollten, sprang eines der Männchen von der Bank und trappelte auf Dragoman zu, der plötzlich ganz große Augen bekam und dessen Körper immer weiter zurückwich, je näher es ihm kam. Vor dem Tisch blieb es stehen und zeigte auf Dragomans Glas mit Wein, wiegte eigenartig seinen Kopf hin und her, drehte sich dann zu den anderen um und sagte: „Check."
Die anderen piepsten zurück und riefen ebenfalls ‚Check’ und Bölsina ging ohne weitere Aufforderung hinter den Tresen und schenkte den Wein ein. Dragoman entspannte sich erst wieder als das Männchen wieder an seinen Platz zurückgegangen war und Laberdan fragte schadenfroh: „Na? Hast du was? Siehst so grün um die Nase aus." Dabei kicherte er dümmlich.
Bölsina hatte inzwischen eingeschenkt, brachte die Gläser an den Tisch und teilte reihum aus. Brilli, die alles stumm beobachtet hatte, sagte plötzlich: „Die Dünnen kriegen auch Wein? Die sind doch bestimmt... krank, denen kann man doch keinen Wein geben!"
„Die bekommen was sie wollen. Basta!", sagte Bölsina forsch, dann wandte sie sich an Brilli und fragte: „Wer zahlt mir das hier überhaupt alles?"
„Bölsina", fiel ihr Dragoman ins Wort. „Wie kannst du jetzt ans Geld denken. Hier sitzen eigentlich unmögliche Lebensformen an deinem Tisch und du willst von ihnen abkassieren??"
„Ja genau", pflichtete Laberdan bei, der plötzlich mitten im Satz verstummte, dann hastig in seine Jackentasche griff und sein neues Notizbuch hervorholte.
„Was hast du vor?" fragte Dragoman mit skeptischem Blick und die anderen interessierten sich nun plötzlich auch für Laberdan, dessen Gesicht einen seltsam siegessicheren Zug bekam.
„Ich schreibe unsere Zeitung an. Wenn wir damit in die nächste Ausgabe kommen werden wir berühmt ... und was am besten ist - reich. Was glaubst du, was die zahlen, damit sie unsere Geschichte zu lesen bekommen. Bölsina, hast Du mal eine Brieftaube für mich?"
Noch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, begann Laberdan hastig mit einem Bleistift etwas in sein Notizbuch zu schreiben und im selben Moment ging ein leises Summen durch den Raum. Die Blicke, die bis jetzt auf Laberdan geruht hatten, kehrten mit einem Mal wieder zurück zu den seltsamen Besuchern. Jenes Männchen, das der Anführer zu sein schien, sah mit grinsendem Gesicht zu Laberdan hinüber, während sich an seiner Nase etwas zu verändern begann. Sie begann plötzlich rot zu leuchten und strahlte ein mattes Licht ab. Laberdan ließ von seinem Notizbuch ab, starrte ängstlich auf das rote Licht, und legte das Notizbuch dann langsam auf den Tisch.
„Jetzt ist es soweit", sagte er. „Denen ist der Wein nicht bekommen, die werden uns jetzt alle einen nach dem anderen umbringen. Jetzt ist es aus!"
Die anderen sagten nichts, zu überrascht waren alle von der plötzlichen Wendung, mit flachem Atem warteten sie, was nun geschehen würde. Und es geschah auch etwas. Der mit der roten Nase deutete mit dem Mittelfinger seiner rechten Hand auf das mittlerweile leere Glas und sagte laut „Check".
Laberdan sah ungläubig in die Runde und sagte dann: "Er hat noch nicht genug, dieser dicke Bursche da. Er hat einen gesunden Durst.“
Bölsina lachte als erste, dann stimmten Fermind Erdball, Brilli Ebendas und Dragoman mit ein, - und dann lachten alle, auch die Männchen.
*****
Eine halbe Stunde später hatten alle ausgetrunken, und Brilli Ebendas hatte in regelmäßigen Abständen gefragt, ob es wohl gut wäre, ihnen Alkohol zu geben, aber der Wein schien ihnen nichts auszumachen. Ab und zu hatten sie ihre Gläser eingehend betrachtet, darauf gezeigt und sich dann irgendetwas zugepiepst, aber keiner wusste, was sie damit wohl meinten. Jetzt sprangen sie plötzlich von der Bank und trappelten Richtung Ausgang. Vor Fermind Erdball blieben sie kurz stehen und machten eine Handbewegung als wollten sie ihn zum Mitkommen auffordern.
„Ich komm auf jeden Fall mit", sagte Dragoman voller Vorfreude und sprang auf. Laberdan ebenso.
„Wollt ihr wieder zurück? Zu euerem Schiff?" fragte Fermind und zeichnete mit seinem Finger ein Segel in die Luft in der Hoffnung, dass sie es verstehen würden.
„Check, Check", war die einhellige Antwort.
„Ein echtes Schiff", sagte Dragoman ehrfürchtig und seine Augen glänzten.
Laberdan schien es die Sprache verschlagen zu haben, er sagte gar nichts mehr.
"Dann gehen wir", sagte Fermind und sie verließen alle zusammen das Gasthaus.
*****
Es war jetzt bereits fast Mittag und viele Menschen waren auf der Straße, doch das schien die dicken Männchen nicht zu interessieren. Sie gingen unbeirrbar ihren Weg, während links und rechts von ihnen die Leute in eine seltsame Starre verfielen und sie anglotzten. Ab und zu wurden auch Köpfe zusammengesteckt und mit dem Finger gezeigt, aber das sahen die Männchen ebenfalls nicht. Sie betrachteten interessiert die Häuser, die Bäume und den Springbrunnen, an dem sie vorbeikamen, und alles wurde begleitet von einem unaufhörlichen Piepsen. Nach fünf Minuten hatten sie die Schrebergärten erreicht, das Schiff lag noch immer an seinem Platz, genauso stählern und glänzend wie bei seiner Landung. Was sich jedoch geändert hatte, waren die vielen Menschen, die in den Beeten herumliefen, das Schiff begutachteten und dabei wild durcheinander redeten.
„Da sind sie also gelandet", sagte Dragoman und grinste.
„Bei unserem Schrebergarten", fügte Laberdan begeistert hinzu.
Als sich die Gruppe den Gärten näherte, verstummte das wilde Gerede unter den Leuten, alle blieben stehen und sahen gespannt auf die Männchen, Fermind und die anderen. Sie bahnten sich ihren Weg zum Schiff, während die anderen ängstlich zurückwichen und eine Gasse freigaben. Vor dem Schiff blieben die Männchen stehen während sich durch irgendeinen unsichtbaren Befehl die Einstiegsklappe zu öffnen begann. Jetzt sagte niemand mehr etwas, sogar das Piepsen war verstummt. Als sich die Klappe ganz geöffnet hatte, drehte sich der Anführer zu Fermind um und zeigte mit seinem Ärmchen auf den Boden direkt neben sich.
„Du sollst zu ihm hingehen", flüsterte ihm Brilli zu und Fermind trat die zwei Schritte vor. Der Anführer lächelte ihn an und dann ertönte wieder ein Summen. Fermind sah gebannt zur Einstiegsluke und der Anführer lächelte wissend.
Eine kleine Plattform erschien an der Luke, auf der vier Gegenstände lagen.
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Genaueres konnte Fermind nicht erkennen, alles was ihm auffiel war, dass die Dinger Federn hatten. Die Plattform fuhr die Treppe entlang dem Rasen entgegen, und noch immer konnte Fermind nicht genau erkennen, was diese Dinger waren. Sie hatten irgendwie Ähnlichkeit mit... Zahnstochern, wie sie Mygas Nuhrwood, der ab und zu bei Brilli zu Besuch kam, benutzte. Als die Plattform schließlich den Boden erreicht hatte, deutete der Anführer zuerst auf die seltsamen Dinger, dann auf Fermind, und Fermind zeigte mit seinem Finger gegen die eigene Brust und fragte: "Das gehört mir?"
Der Anführer nickte und die anderen Männchen freuten sich. Fermind blickte etwas unschlüssig in die Gegend, dann nahm er die vier gleich aussehenden Dinger von der Plattform und hielt sie in seiner linken Hand fest. „Äh.. . Danke", stotterte er.
Die Männchen lächelten kurz, Fermind, Brilli und die anderen lächelten zurück, dann hoben sie die Händchen und winkten. Die kleine Gruppe aus dem Gasthaus winkte zurück - Laberdan etwas zaghaft - und plötzlich winkten auch einige der anderen Menschen auf den Beeten, immer mehr kamen hinzu bis schließlich alle winkten. Der Anführer sagte noch einmal "Check", dann trappelte er gemeinsam mit den anderen die Treppe hoch, die sich kurz darauf nach oben in Bewegung setzte.
Leises Summen und Dröhnen erfüllte plötzlich die Luft und die Menschen traten ein wenig erschrocken zur Seite. Die Schiff bewegte sich vom Ufer weg, zuerst nur langsam, dann immer schneller, verharrte noch einmal kurz, um dann mit voller Beschleunigung über den Ringfluss zu entschwinden. Fermind Erdball starrte noch lange an die Stelle, an der das Schiff verschwunden war und bemerkte nur beiläufig, dass Brilli neben ihn getreten war.
„Jetzt sind sie weg", sagte er leise und so etwas wie Wehmut schwang in seiner Stimme mit.
„Ja, sie sind weg", erwiderte Brilli und auch ihr Blick war in die Ferne gerichtet.
Fermind sah Brilli an und lächelte.
„Was mache ich jetzt mit meinen Geschenken?" fragte er. Brilli lächelte zurück und sagte: „Kommt ganz darauf an, was es ist."
„Ja, was es wohl ist?" sinnierte Fermind Erdball und besah sich die vier Gegenstände.
„Ich glaube ich weiß, was das da ist", sagte plötzlich jemand neben Fermind. Fermind kannte den Mann nur vom Sehen, er wusste nur, dass es der neue Rechenlehrer war, der hier im Ort an der Schule unterrichtete.
„Und was ist es?" fragte Fermind.
„Ich müsste es noch einmal kurz anschauen."
„Wenn sie wollen."
Der Rechenlehrer besah sich die Gegenstände im Ferminds Hand von allen Seiten, hob sie ein wenig an, legte sie wieder hin und flüsterte dauernd „ja, ja..."
„Also was ist es?" fragte Fermind, der endlich die Antwort wissen wollte.
„Es sind kleine Lanzen!" stellte der Lehrer knapp fest.
„Was??
„Kleine Lanzen, wie sie die Leibwache des Königs verwendet. Ja ich glaube das sind kleine Lanzen, und sie sind sehr fein gearbeitet und sicher selten und teuer." Fermind und Brilli starrten abwechselnd zwischen ‚Lanzen’ und Lehrer hin und her.
„Bei einem meiner wenigen Besuche in Sicc Nervatur habe ich so etwas schon einmal gesehen. Einige Männer warfen damit in einem Gasthaus auf die Böden leerer Weinfässer und hatten mächtig Spaß dabei."
Einige Sekunden vergingen, dann begann Fermind zu lachen, immer heftiger und lauter und plötzlich lachte auch Brilli. Sie schüttelten sich förmlich vor Lachen, Fermind nahm Brilli in den Arm, sie sahen sich an und dann lachten sie gemeinsam. Es dauerte fast fünf Minuten bis sie wieder aufhörten, und die anderen Menschen, die sich noch hüteten, den Beiden nahe zu kommen, fragten sich schon, was mit ihnen denn los sei. Erst jetzt, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, merkte Fermind erst so richtig, dass er Brilli in den Armen hielt. Er sah ihr in die Augen. Dann sagte er: „Sie haben uns kleine Lanzen gebracht?"
„Verrückte kleine Kerlchen", antwortete Brilli und ihr Blick traf den seinen.
„Ja, verrückt", bestätigte Fermind leise und schwieg für einen kurzen Moment. Dann sagte er: „Darf ich so verrückt sein, und Dich mal zum Essen einladen?"
Brilli Ebendas sah ihn lange an, lächelte und sagte dann: „Check!
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