„Nur diesen Hügel noch. Nur diesen einen kleinen Hügel noch.“ Immer wieder hämmerten diese Worte mit Macht in seinen von körperlicher Erschöpfung beeinflussten Gedanken. Laut vor sich hin keuchend setzte er Fuß vor Fuß und erreichte mit dem letzten Körnchen Kraft seines alten ausgemergelten Körpers die Kuppe jenes x-ten Hügels, den er in den letzten Tagen bestiegen hatte. Am fernen Horizont, der unheilschwanger durch die Wipfel alter Eichen zu sehen war, zog mit aller Endgültigkeit die nahe Dämmerung herauf. Höchste Zeit also für heute die Wanderung zu beenden und sich ein lauschiges Plätzchen für die Nachtrast zu suchen. „Aber bitte mit Mandeln.“ Jener uralte Kalauer plagte ihn auch nun wieder mit der Hartnäckigkeit eines Teenagerpickels. Tief sogen seine schmerzenden Lungen die gesunde reine Waldluft in sich ein und er blieb seufzend stehen. Zittrige Finger entnahmen seiner vorletzten Schachtel eines der von ihm so geliebten Tabakstäbchen, welches er mit dem uralten Feuerzeug in Brand setzte. Den Rauch tief inhalierend entspannte er sich sofort und war jetzt bereit seine Augen auf jenes Tal zu werfen das sich unterhalb des Hügels erstreckte. Vor sieben Tagen hatte er, Herrjemine Bügebeis, Magier der Deribart, den sie zu Hause in Kildasee nur OPPA, The Elend on Tour nannten, den Ringfluss bei Silgenweid überschritten um die Länder im Westen zu erforschen und den dort Wohnenden die Segnungen des Gemeinen Stöckchenwerfens näher zu bringen. Seitdem war er durch endlose Wälder und über unzählige Hügel gewandert, hatte seine reichlich mitgenommenen Vorräte fast zur Gänze aufgebraucht und seine Hoffnung bald auf Einheimische zu stoßen schon vor Stunden, oder waren es Tage, unter einer der Eichen vergraben. Da stand er nun, genussvoll vor sich hin paffend, auf dem Gipfel jenes Hügels und konnte kaum glauben, was seine müden Augen erblickten. Tief unten in einem vor frischem Grün strotzenden Tal erhoben sich die Gebäude einer kleinen malerischen Stadt, die von einer doppelt mannshohen Mauer umgeben wurde. Zwei wuchtige Türme unterbrachen diese Mauer auf der ihm zugewandten Seite. „Sicherlich der gut bewachte Zugang zu dieser Stadt“ sagte er zu sich selbst, ließ den Stummel des aufgerauchten Tabakstäbchens zu Boden fallen, trat die Glut sorgfältig aus, und fühlte wie alle Müdigkeit mit einem Male von ihm gewichen war. „Von nun an geht’s bergab.“ Mit diesen Worten lenkte er seine Schritte den Hügel hinab jener Ansiedlung entgegen. ***** Es wurde schon langsam dunkel als er das Tor zwischen den beiden Türmen, auf denen je eine rot-grün-karierte Fahne im sanften Abendwind wehte, mit letzter Kraft erreichte. Hoch über dem Bogen des weit geöffneten Tores konnte er auf einem dort angebrachten hölzernen Schild eine in goldener Schrift angebrachte sinnlose Anhäufung ihm unbekannter Buchstaben erkennen. Leider wurde das Tor aber auch von zwei wohlbeleibten Gestalten in blinkenden Rüstungen bewacht, die ihn aufmerksam musterten und die sicherlich scharf geschliffene Piken in ihren rechten Händen hielten. Er schaute an sich herab, musterte kritisch den Zustand seiner Kleidung, rümpfte missmutig die Nase und machte sich auf das Schlimmste gefasst. „In dem Zustand würde ich mich selbst nicht herein lassen und mich mit Schimpf und Schande davon jagen“ musste er sich in Gedanken eingestehen. Er kannte das rüde Verhalten der heimatlichen Stadtwachen nur zu gut. Die waren immer zu derben Scherzen aufgelegt und so mancher Geschäftsreisende konnte ein Liedchen von ihren Eskapaden singen. Seinen Mut zusammen nehmend trat er auf die Beiden zu und wollte gerade sein Sprüchlein vom müden Wanderer der eine warme Mahlzeit und ein Lager für die Nacht suchte ablassen als er von dem zur Rechten des Tores angesprochen wurde. Zu seiner großen Verwunderung konnte er ihn ohne Probleme sogar verstehen. „Ich grüße Dich, müder Wanderer, der Du deine Schritte hoffnungsvoll in unser kleines Land Absurdistan gelenkt hast. Ich bin Kest Jahrkind, Erster Deichnix der ruhmreichen Stadtgarde. Und der dort, der Dich so unverschämt angrinst, ist mein Partner Darn Feldbett aus der Sippe der Losen und mein Nachbar und Adjutant. Womit können wir und unsere Stadt Skurrilio Dir zu Diensten sein?“ Herrjemine rieb sich verwundert die Augen, klopfte sich mit den Mittelfingern auf seine Ohren und war erst einmal sprachlos. Hatte er das richtig vernommen? Oder lag er erschöpft schlafend im finsteren Wald und sein Gehirn gaukelte ihm einen Wunschtraum vor? Er schloss die Augen und kniff sich fest in den linken Unterarm. Er vernahm den Schmerz mit aller Deutlichkeit, öffnete erwartungsvoll wieder seine Augen und befand sich noch immer vor einem Stadttor in Gesellschaft Derer, die sich Jahrkind und Feldbett nannten. „Oh Ihr, die ihr mich so freundlich empfanget. Ich bin der Magier Herrjemine Bügebeis, den sie in Kildasee den OPPA, The Elend on Tour nennen. Sieben lange Tage bin ich durch die Wälder gewandert auf der Suche nach freundlichen Menschen um ihnen die Freuden des Gemeinen Stöckchenwerfens näher zu bringen. Nun bin ich hungrig und müde und wäre für eine warme Mahlzeit und ein lauschiges ruhiges Plätzchen dankbar. Aber bitte mit Mandeln. (Unwillkürlich war ihm der uralte Kalauer doch über die Lippen gerutscht, obwohl er sich bemüht hatte ihn sich zu verkneifen.) Ich zahle gut und in Gold, wenn denn der Service stimmen sollte.“ Die beiden Wachposten konnten sich ein Grinsen auch mit größter Mühe nicht verkneifen. Elend passte sehr gut zu dieser traurigen abgerissenen Figur (oder sollten sie tatsächlich den mit dem Plätzchen noch nicht gekannt haben?). Wie dem auch sei. „Dies Alles wirst Du bei uns reichlich finden können, Magier OPPA, was auch immer das sei. Eine große Zahl seltsamer Menschen lebt hier in Absurdistan und ich habe das Gefühl, als würdet Du bestens hier herein passen. Komm mit mir zur Schriftenstube. Da können wir die nötigen Formalitäten erledigen.“ War ja klar. Der unheilige Bürokratismus hatte also auch schon diesen idyllischen Ort erreicht und hielt ihn fest in seinen Klauen. „Formalitäten????“ fragte OPPA mit reichlich Fragezeichen. „Was den für Formalitäten?“ Vor seinem inneren Auge erschienen 17 dicke Bögen mit je 4 Durchschlägen, gespickt mit Fragen, wie: Name, Vorname? Beruf, Anschrift? Alter, Schuhgröße? Zahlen Sie Miete? Wenn ja: Wie viel? Wenn nein: Wie machen Sie das? Werfen Sie Stöckchen, wenn ja welche und wie gut? Nennen Sie Ihren 3-Dart-Average basierend auf den letzten 50 Turnieren, die Sie mitgespielt haben. Name, Alter und Anschrift der Mutter? Das Gleiche des Vaters? Wissen Sie was ein Limerick ist? Kennen Sie welche? Und….und….und….. Herrjemine fürchtete das Schlimmste und richtete sich innerlich auf eine lange Nacht in der Schriftenstube ein. Sein Magen näherte sich mittlerweile verdächtig schnell seinen plötzlich zitternden Knien und seine Augen verlangten lauthals nach Streichhölzern. „Ich benötige nur Ihren Namen für den Passierschein, den wir hier „Einbürgerungsurkunde“ nennen. Sie können ihn sofort mitnehmen und sich damit unbegrenzt in unserer schönen Stadt Skurrilio aufhalten. Nur leider ist unsere Druckmaschine sehr alt und wird von einem Hartz-IV-Eurojobber aus der Sippe der Brotlosen bedient. Aber länger als 10 Minuten wird es bestimmt nicht brauchen.“ So erklärte ihm Feldbett (oder hieß es richtigerweise Das Feldbett??) „Nun denn ihr lieben Leute. Lasst es uns hinter uns bringen. Ich bin bereit.“ „Und todmüde und hungrig wie ein Wolf und eine Dusche wäre auch nicht schlecht“ setzte er in Gedanken hinzu. „So folge mir“ meinte Jahrkind, faste OPPA am rechten Arm und führte ihn auf eine Tür im Turm zur Linken zu. Er öffnete und bat ihn einzutreten. Und wie gesagt: Schon zehn Minuten später verließen Beide wieder den Raum hinter der Türe und Bügebeis schwenkte freudig ein Papier in seiner Rechten durch die laue Frühlingsluft. Geschafft.!! |